Bünde im Nationalsozialismus
Ein Quellenverzeichnis präsentiert vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde

Arisierungen



In Bünde wurde die "Arisierung" des jüdischen Eigentums zwischen 1938 und 1942 vollzogen. Mit nur einer Ausnahme wurden die "Arisierungsfälle" ohne größere zeitliche Verzögerungen abgewickelt. Gemäß der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden war der Mindener Regierungspräsident zuständige Genehmigungsbehörde für die in Bünde durchzuführenden "Arisierungen". Aber auch der Gauwirtschaftsberater der NSDAP, der seinen Sitz in Münster hatte, war in maßgeblicher Weise am Zustandekommen der Kaufverträge beteiligt, da in jedem Einzelfall seine Zustimmung eingeholt werden musste. Der Herforder Kreiswirtschaftsberater Dr. Priester leistete ihm in diesen Fällen Entscheidungshilfe. Der Gauwirtschaftsberater achtete in der Regel darauf, dass die Käufer in politischer Hinsicht "zuverlässig" waren und dass der vereinbarte Kaufpreis nicht zu hoch ausfiel, d.h. dass der jüdische Veräußerer sein Eigentum deutlich unter Wert verkaufte. Das lässt sich durchgängig bei allen in Bünde abgewickelten "Arisierungsverfahren" feststellen.



Arisierungsmaßnahmen in der Stadt Bünde und im Amt Ennigloh, 1938 - 1942


1938

Jüdischer Eigentümer "arisiertes" Objekt Erwerber
Theodor Rosenbaum, Zigarrenkistenfabrik Rodenberg & Rosenbaum, Bünde, Klinkenkolkstr. 33 Edwin Kranz, Kaufmann,
Bünde, Kl. Bruchweg 14/16   Bad Oeynhausen
Simon Rosenwald, Grundstück mit Wohnhaus Wilhelm Altemeier, Kaufmann, Bünde
Bünde, Sedanstr. 8 Bünde, Sedanstr. 8  

1939

Jüdischer Eigentümer "arisiertes" Objekt Erwerber
Theodore Löwenstein, Grundstück mit Geschäftshaus, Grete Thiele, Hausfrau,
Bünde, Auf'm Tie 2 Bünde, Auf'm Tie 2 Bünde
Dorothea Ahrndt, Heilanstalt Bethel, u. Margot Leiser, geb. Ahrndt, Palästina Grundstück mit Wohnhaus Bünde, Brüderstr. 3/5 Heinrich Grotemeier, Kaufmann, Holsen
Gustav Spanier, Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 2 a) Grundstück mit Wohnhaus Bünde, Hindenburgstr. 20 Johanne u. Marie Hermjohannes, Oberpritschen/Oberschlesien Walter Schnelle, Kistenfabrikant Eilshausen
  b) Grundstück mit Wohnhaus Bünde, Holtkampstr. 3  
Anna Mengers, verw. Hoffbauer, Hannover, Bürgerstr. 4 Grundstück mit Wohnhaus Richard Krämer, Zigarrenfabrikant, Bünde
  Bünde, Eschstr. 19  
Wilhelm u. Bernhard Spanier, Amsterdam (NL) Grundstück mit Gebäude Bäuerliche Bezugs- und Absatz- genossenschaft GmbH., Bünde
  Ennigloh, Bahnhofstr. 10  

1940

Jüdischer Eigentümer "arisiertes" Objekt Erwerber
Hugo Meyer, Grundstück mit Wohnhaus Carl W. Eggersmann, Kaufmann, Bünde
Bünde, Winkelstr. 14 Bünde, Winkelstr. 14  
Synagogengemeinde Bünde a) alter jüdischer Friedhof Stadt Bünde
  b) Synagogengelände Elisabeth Schulte zur Heide, Bünde


1941

Jüdischer Eigentümer "arisiertes" Objekt Erwerber
Martha Horwitz, Grundstück mit Wohnhaus, Friedrich Geißelbrecht, Haupt-dienststellenleiter der NSDAP München
Ennigloh, Bahnhofstr. 13 Ennigloh, Bahnhofstr. 13  

1942

Jüdischer Eigentümer "arisiertes" Objekt Erwerber
Rudolf Hamlet, Kapstadt (Südafrika) Grundstück mit Geschäftshaus vom Dt. Reich eingezogen gem. Gesetz v. 15.1.1940
  Bünde, Bahnhofstr. 16  
Carl Levison, Grundstück mit Wohnhaus vom Dt. Reich eingezogen gem. Erlaß d. RMdI u. d. RFM v. 9.4.1942
Bünde, Hindenburgstr. 1 Bünde, Hindenburgstr. 1  
Emil Ruben, Grundstück mit Wohnhaus vom Dt. Reich eingezogen gem. Erlaß d. RMdI u. d. RFM v. 9.4.1942
Bünde, Hindenburgstr. 32 Bünde, Hindenburgstr. 32  
Otto u. Willy Spanier, Grundstück, vom Dt. Reich eingezogen gem. Erlaß d. RMdI u. d. RFM v. 9.4.1942
Bünde, Eschstr. 55 Bünde, Eschstr. 55  



Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Der Gauwirtschaftsberater


Münster, den 5.5.1938

Herrn
Edwin Kranz
Bad Oeynhausen
Goethestr. 11,

Betrifft: Übernahme der jüdischen Firma Rodenberg & Rosenbaum, Bünde.

Von meinem Kreiswirtschaftsberater Pg. Priester, Herford, wurde mir eine Abschrift des Kaufvertrages zur Übernahme der jüdischen Firma Rodenberg & Rosenbaum übermittelt. Ich habe gegen eine Übernahme, wie sie in dem Kaufvertrag vereinbart wurde, nichts einzuwenden. Ich möchte nur noch hervorheben, daß es mir unerwünscht ist, wenn unter den Personen, in deren Dienst- und Arbeitsverträge Sie laut § 6 eintreten, sich Juden befinden. Dazu erbitte ich noch Ihre Rückäußerung. Alle anderen Fragen, insbesondere die Höhe des Kaufpreises, wurden mir von Pg. Priester beantwortet.

Heil Hitler!
(Franke) MdR
Gauwirtschaftsberater



EDWIN KRANZ

Bad Oeynhausen, den 18. Mai 1938

An den Herrn Regierungspräsidenten
des Regierungsbezirks Minden i/W.
Minden i/W.

Betr.: Übernahme der jüdischen Zigarrenkisten- und Fournierfabrik Rodenberg & Rosenbaum, Bünde i/W.

In der Anlage übersende ich Ihnen einen Kaufvertrag den ich über die jüdische Zigarrenkisten- und Fournierfabrik Rodenberg & Rosenbaum, Bünde i/W. abgeschlossen habe. Ferner die Genehmigung des Gauwirschaftsberaters Pg. Franke, Münster, und bitte um Ihre Stellungnahme und Erteilung der Übernahme-Genehmigung.

Heil Hitler!
(Edwin Kranz)

1 Kaufvertrag.
1 Genehmigung.





INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER OSTWESTFALEN ZU BIELEFELD

Bielefeld, den 21. Mai 1938

An den Herrn Regierungspräsidenten
Minden (Westf.)

Betr.: Arisierung der Firma Rodenberg & Rosenbaum, Zigarrenkistenfabrik, Bünde

Von Herrn Edwin Kranz in Bad Oeynhausen sind wir nach dessen Rücksprache mit dem dortigen zuständigen Dezernenten ersucht worden, seinen beifolgenden Antrag auf Genehmigung der Übernahme der vorgenannten Firma nach Stellungnahme dorthin weiterzureichen. Wir übersenden daher hiermit Schreiben von Kranz vom 10. ds. Mts., notariellen Vertrag vom 2. v. Mts. und Zustimmungserklärung des Herrn Gauwirtschaftsberaters aus Münster vom 5. ds. Mts. Mit Rücksicht darauf, daß der Übernahmevertrag bereits am 2. vr. Mts. abgeschlossen wurde und die Anordnung vom 26.4.1938, welche die Genehmigungspflicht vorsieht, erst mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft getreten ist, möchten wir annehmen, daß es einer Genehmigung des Herrn Regierungspräsidenten nicht bedarf. Für den Fall, daß es sich aber anders verhält, nehmen wir wie folgt Stellung: Daß eine Tarnung zu Gunsten von Juden bei der Übernahme der in Rede stehenden Firma durch Herrn Kranz erfolgt ist, ist weder zu erkennen noch anzunehmen. Kranz übernimmt Grundstücke, Gebäude und Inventar und Warenlager. Debitoren und Kreditoren sind ausgeschlossen. Der Übernahmepreis für Grundstück, Gebäude und Inventar beträgt zusammen RM 130.000,-. Zwischen den Beteiligten ist zunächst auf Basis von RM 160.000,- verhandelt worden. Es ist Kranz dann gelungen, den Preis auf RM 130.000- herunterzudrücken. Im Vertrag hat man für Grundstück und Gebäude in Anlehnung an die Einheitswerte von 1935 den Betrag von RM 110.000,- eingesetzt, der Rest von RM 20.000,- ist dann für das Inventar bestimmt worden. Der Preis von RM 110.000,- erscheint - soweit wir feststellen konnten - durchaus angemessen, denn es soll sich um ein verhältnismäßig großes Grundstück handeln und die aufstehenden Gebäude sind nach Angabe eines Sachverständigen in tadellosem Zustand. Der Preis von RM 20.000,- für das Inventar dürfte gering sein. Der Maschinenpark befindet sich nach Auskunft eines Sachverständigen in bestem Zustand. Vor allem soll die Schälerei und die Trockenanlage den modernsten Anforderungen entsprechen. Der Preis für eine erstklassige Schälerei beträgt allein RM 18 bis 20.000,-. Der gemeine Wert sämtlicher Maschinen ist uns für die heutige Zeit mit RM 50-60.000,- von einem Sachverständigen angegeben worden. Der Anschaffungswert soll rund RM 110.000,- betragen. Die Summe von RM 20.000,- kann daher keinesfalls beanstandet werden. Für die Rohhölzer ist der Einkaufspreis zuzüglich der auf den Waren ruhenden Kosten vorgesehen. Bei diesen Kosten kann es sich wohl nur um Transport- und Lagerspesen handeln. In anderen Fällen, wenn auch in einer anderen Branche, ist für das Rohstofflager der Einkaufspreis ohne Zuschlag für Fracht und Lagerungskosten, abzüglich eines bestimmten Prozentsatzes angewandt worden. Es besteht u.E. keine Veranlassung, hier anders vorzugehen. Es ist zu berücksichtigen, daß in normalen Zeiten für die Übernahme eines Warenlagers im ganzen sicherlich nicht mehr gezahlt würde als der Einkaufspreis abzüglich etwa 10%. Die heutige Warenknappheit darf aber nicht dazu führen, wesentlich mehr zu geben. Wir empfehlen daher, für das Rohholzlager nur die Rechnungsbeträge abzüglich 5% anzuerkennen. Gegen die Bewilligung der Listenpreise für Sperrholzplatten abzüglich 15% für den eingeschlossenen Gewinnaufschlag und abzüglich 3% Skonto von dem verbleibenden Betrage ist nichts einzuwenden. Für Nebenartikel wie Papier, Leim usw. die gezahlten Einkaufspreise zu entrichten, halten wir nicht für angebracht. Hier erscheint uns ein Abschlag von 10% notwendig. Daß der Betrag, der für das Warenlager aufgewandt werden soll, auf insgesamt RM 55.000,- begrenzt ist, hat seine Ursache darin, daß der Käufer mit Rücksicht auf seine finanziellen Verhältnisse einen bestimmten Betrag nicht überschreiten will. Einwendungen sind hiergegen nicht zu erheben. RM 35.000,- des Kaufpreises sollen sofort nach endgültiger Übernahme gezahlt werden. Der Rest ist spätestens bis zum 25. Juli 1938 fällig. Die Juden scheiden somit innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit vollständig aus dem Unternehmen aus. Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen empfehlen wir, die Genehmigung ... zu erteilen.

Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen i.A.: Unterschrift

Anlagen

(aus: Staatsarchiv Detmold, M 1 I P, Nr. 1551)





Der Regierungspräsident

Minden, den 30. Mai 1938

Auf Ihren Antrag vom 25. Mai 1938
Betrifft: Übernahme der Kistenfabrik Rodenberg & Rosenbaum in Bünde.
2 Anlagen.

Gemäss Artikel III § 9 der Anordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26.April 1938 (RGBl. I S. 415) genehmige ich hiermit die von Ihnen mit den bisherigen Inhabern der Kistenfabrik Rodenberg & Rosenbaum in Bünde abgeschlossenen notariellen Verträge vom 2. April/25.Mai 1938. Sollten etwa nachträglich durch Ministerialerlasse weitere Forderungen auf Grund der genannten Anordnung gestellt werden, so müsste ich g.F. eine Ergänzung der Bedingungen fordern. Für vorstehend genannte Genehmigung wird eine Verwaltungsgebühr von 50,- RM festgesetzt, die durch Nachnahme erhoben wird. Die mir überlassenen Abschriften der beiden Verträge vom 2.April/25.Mai 1938 sende ich anliegend zurück.