Bünde im Nationalsozialismus
Ein Quellenverzeichnis präsentiert vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde

Fackelzug

Bünde, den 31. Januar 1933


Gestern Abend veranstaltete die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Ortsgruppe Bünde gemeinsam mit dem "Stahlhelm" Bund der Frontsoldaten einen großen Fackelzug zu Ehren des Reichspräsidenten und des neuen Reichskanzlers. Der Zug ging von der Ort aus durch die Straßen der Stadt in strammem Schritt unter den Klängen einer Tambour-Kapelle. Vorauf die außerordentlich starke Sturmabteilung, der das NSDAP-Banner leuchtend voranflatterte, dann ein langer Zug grauer, strammer Stahlhelmer; den Schluß machten zwei Gruppen von Angehörigen der NSDAP. - Der erhebende Zug endete am Kriegerdenkmal. Hier widmete der NSDAP-Führer den Weltkriegshelden kurze Worte des Gedenkens und des Dankes. Der Stahlhelmführer stellte in markiger Ansprache die erfreuliche Tatsache heraus, daß zum ersten Male die beiden großen nationalen Verbände sich zu einer gemeinsamen Kundgebung zusammengefunden hätten. Seine Worte klangen aus in dem Wunsche, daß der jetzt beschrittene Weg die beiden Verbände für alle Zukunft zusammenhalten möchte. Der kurze Festakt fand sein Ende mit dem Deutschlandlied, das mit zukunftsfroher Festigkeit und Helligkeit das Nachtdunkel des Abends und die Gegenwart zu überstrahlen schien.

(Bünder Generalanzeiger 49. Jg., Nr. 27 v. 1.2.1933)



Gemeindevorsteher bzw. Gemeindebürgermeister in der Stadt Bünde und im Amt Ennigloh, 1931 - 1946

Stadt/Gemeinde a) am 01.01.1931 b) am 15.09.1933 c) am ...1939 d) am 25.1.1946 e) am 25.10. 1946
Stadt Bünde Dr. R. Moes Dr. R. Moes Dr. Dr. G. Rattay (NSDAP) Dr. Carl Sielermann O. Zscherlich,
        Amtsgerichtsrat (CDU) Kaufmann (CDU)
           
Amt Ennigloh:          
Ahle H. Dix, H. Nehl,   H. Dix, H. Dix,
  Arbeiter (SPD) Zig.-Fabrikant (NSDAP)   Arbeiter (SPD) Arbeiter (SPD)
Dünne A. Uthoff, A. Uthoff,   H. Heepmann, A. Nolte,
  Landwirt Landwirt   Zig.-Herst. (SPD) Kaufmann (CDU)
Ennigloh H. Meyer, H. Meyer,   W. Kammann, W. Kammann,
  Zig.-Fabrikant Zig.-Fabrikant   Kaufmann (SPD) Kaufmann (SPD)
Holsen H. Voth, H. Voth,   K. Steffen, A. Oberpenning,
  Landwirt Landwirt   Zig.-Fabrikant Arbeiter (SPD)
Hunnebrock H. Meyer, H. Meyer,   H. Schwidde, K. Siekmann,
  Landwirt Landwirt   Landwirt Kaufmann (SPD)
Hüffen H. Schröder, A. Wellmann,   H. Schröder, H. Schröder,
  Zig.-Hersteller Landwirt   Zig.-Herst. (SPD) Zig.-Hersteller (SPD)
Muckum H. Behring, H. Behring,   H. Behring, W. Wiegmann,
  Landwirt Landwirt   Landwirt Müller (SPD)
Spradow H. Jürging, H. Klausing, Gärtnereibesitzer   W. Nettingsmeier, W. Nettingsmeier,
  Landwirt     Arbeiter (SPD) Arbeiter (SPD)
Südlengern H. Niehaus, H. Schürmann,   A. Rabe, A. Rabe,
  Zig.-Arb. (SPD) Mühlenbesitzer   Zig.-Herst. (SPD) Zig.-Hersteller (SPD)
Werfen W. Meyer, H. Günther,   W. Stiegelmeyer, W. Stiegelmeyer,
  Zig.-Arbeiter Landwirt   Kaufmann (unabh.) Kaufmann (unabh.)







Eine Erklärung

Die Hakenkreuzfahne am Rathaus

 

Seit Dienstag hängt am Rathausbalkon neben der schwarz-weißen Landesfahne eine Hakenkreuzfahne. Heute ist das Parteisymbol der NSDAP auf den städtischen Schulgebäuden angebracht worden. Gleichzeitig wurde die Preußenfahne durch eine Reichsfahne in den alten Farben ersetzt. Die Bevölkerung der Stadt Bünde kann hierzu eine Aufklärung verlangen, die ich gern gebe.

Am Montag, den 6. ds. Mts., meldeten sich bei mir zwei Vertreter der NSDAP und ersuchten, daß zum Zeichen des nationalen Wahlsieges die Hakenkreuzfahne auf dem Rathause gehißt würde, zumal die NSDAP hier in Bünde die absolute Mehrheit der Stimmen erlangt habe. Ich habe bei aller Achtung vor der Bedeutung der Partei es abgelehnt, eine Parteifahne am Rathaus anzubringen, da das Rathaus eine unparteiische Einrichtung sei, die allen und nicht nur einer Partei zu dienen habe. Maßgebend sei für mich die abgeänderte Flaggenverordnung, nach der ich verpflichtet sei, an staatlichen Festtagen die Landesfarben, und berechtigt sei, daneben die Stadtfarben zu zeigen; am Volkstrauertag dürfe ich auch das Symbol des alten Reiches, die schwarz-weiß-rote Fahne anbringen. Ich habe selbstverständlich in Berücksichtigung verständlicher Wünsche unserer Bevölkerung auf Grund der Flaggenverordnung sofort, soweit nicht mehr vorhanden, schwarz-weiß-rote Fahnen für die städtischen Gebäude bestellt, um sie am Volkstrauertag zeigen zu können, und habe es begrüßt, daß gerade dieser Anlaß die Verwaltung berechtigte, die alten Reichsfarben hervorzuholen. Gestern Nachmittag erschienen nun erneut Angesandte der NSDAP und verlangten unter Berufung auf einen inzwischen ergangenen Erlaß des Reichskommissars für das Preußische Innenministerium die Hissung der Hakenkreuzfahne. Der Erlaß lautet:

„In Freude über den außerordentlichen Wahlerfolg hat die Bevölkerung vielerorts das Hissen der Hakenkreuzfahne auf staatlichen und kommunalen Dienstgebäuden gefordert und durchgesetzt. Ich bitte dieser verständlichen Volksstimmung in den nächsten Tagen Rechnung zu tragen. Pr. Innenminister, Kommissar des Reiches."

Ich habe zunächst erklärt, daß ich diesen Erlaß nur so verstanden habe, daß gegenüber Handlungen, die im Rausche erster Begeisterung über den Wahlsieg vollzogen wurden, Nachsicht geübt werden solle. Dem gegenüber wurde betont, daß alle anderen Verwaltungen, z.B. auch die Amtsverwaltung in Ennigloh, dem Wunsche entsprochen habe und daß sich Bünde dieser Forderung nicht allein widersetzen dürfe. Da der genannte Erlaß immerhin die Deutung zulässt, daß die erbetene Duldung sich allgemein auf Handlungen an den der Wahl folgenden Tagen bezieht, und ich nicht beanspruchen kann, daß in Bünde anders verfahren wird als offenbar in allen anderen Städten, habe ich schließlich erklärt, die Anbringung der Hakenkreuzfahne dulden zu wollen. Ich habe im übrigen angeordnet, daß gleichzeitig die Landesfahne gehisst wurde. Sie ist heute durch die von einem Bürger dankenswerter Weise zur Verfügung gestellte schwarz-weiß-rote Fahne ersetzt worden. Gleichzeitig wurde heute, ohne die Schulleiter zu fragen, an den städtischen Schulen Hakenkreuzfahnen angebracht, nachdem die Schulleiter von sich aus beschlossen hatten, aus Anlaß des wegen des nationalen Wahlsieges schulfreien Tages in den alten Reichfarben zu flaggen.

Die in einer völligen Verkennung der Zuständigkeit an die Hausmeister gerichtete Forderung auf Herausgabe der verfassungsgemäß noch geltenden Reichsfahnen wurde von diesen zumeist abgelehnt, da sie nicht über städtisches Eigentum verfügen durften. Eine Auslieferung dieses städtischen Eigentums an Unbefugte kommt auch selbstverständlich nicht in Betracht.

Die Anbringung einer Parteifahne auf einem öffentlichen Gebäude steht in vollem Widerspruch zu meiner auf altpreußischer Ueberlieferung beruhenden Auffassung als Beamter. Auf kommunale Gebäude gehören nur die unparteiischen Symbole von Reich, Staat oder Stadt. Nur diese sind geeignet, die Aufgabe anzudeuten, der die Arbeit in diesen Gebäuden dienen soll. Einer Partei, und sei sie noch so bedeutend, darf diese Arbeit nicht dienstbar sein, und es sollte m.E. auch der Anschein vermieden werden, als ob man es anders wünschte. Man sollte daher allerdings auch nicht Forderungen stellen, die mit dem Beamtengewissen nur schwer vereinbar sind. Ich wünsche selbst nichts sehnlicher, als daß der für die Zerrissenheit unseres Volkes leider symbolische Flaggenstreit recht bald beendet sein möge und wir wieder der alten Reichsfahne auf allen öffentlichen Gebäuden ein hoffentlich bleibendes Heimatrecht geben dürfen. Aber ob schwarz-rot-gold oder schwarz-weiß-rot vom Rathaus weht, gilt für mich und die mir unterstellte Beamtenschaft der städtischen Verwaltung nach wie vor unbeirrbar die Pflicht, in Unparteilichkeit und Gerechtigkeit der Gesamtheit zu dienen – um des Vaterlandes willen.

 

Dr. Moes

Bürgermeister der Stadt Bünde

 

(aus: Bünder Generalanzeiger 49. Jg., Nr. 58 v. 9.3.1933)

 

 

Neutraler Sprechsaal

 

Zur Erklärung des Herrn Bürgermeisters vom Donnerstag, den 9.3.33 gibt die NSDAP folgende Gegenerklärung:

 

Wir begrüßen es, daß der Herr Bürgermeister in seiner Erklärung so eindeutig gegen die NSDAP Stellung genommen hat. Wir haben jetzt volle Klarheit darüber, daß wir in dem Herrn Bürgermeister immer noch den Vorkämpfer des gestorbenen Liberalismus zu sehen und zu bekämpfen haben.

Für die sehr spitzfindige Auslegung des Goering-Erlasses haben wir gar kein Verständnis. Goerings Ersuchen, dem Hissen unserer siegreichen Hakenkreuzfahne stattzugeben, ist absolut eindeutig. – Der Herr Bürgermeister operiert immer mit dem Begriff "Partei". Er hat nicht begriffen, daß die NSDAP nicht eine "Partei" im Sinne des Liberalismus ist, sondern eine Volksbewegung darstellt, etwas durchaus Neuartiges, eine revolutionäre Umgestaltung des deutschen Denkens und Handelns bedeutet; er hat nicht verstanden – immer noch nicht –, daß die NSDAP aus kleinen Anfängen heraus – damals bedeutete sie vielleicht "Partei" – zum völkischen Organismus wurde, der sammelnd und reorganisierend und zusammenschweißend das deutschen Volk im Rahmen seiner Bewegung (nicht "Partei") erstmalig wieder zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefaßt hat. Er hat nicht verstanden, daß diese Bewegung durch das Ergebnis des vorigen Sonntags Volk geworden ist, und daß diese "Partei" damit das heilige Recht und die verfluchte Pflicht hat, am Tage des herrlichsten Sieges, den sie bisher errungen, auch auf sämtlichen Gebäuden des Staates, der ja nur die äußere Form des Volkes darstellt, das Symbol des neuen Volkes flatternd hochsteigen zu lassen.

Im Uebrigen ersuchen wir die Bünder Wähler, dieser unserer Antwort am kommenden Wahlsonntag eine zweite Antwort hinzuzufügen, die nicht minder deutlich ist; das Rathaus ist uns noch viel zu rot. Von jetzt ab soll unsere nationalsozialistische Weltanschauung und klare charaktervolle Haltung auch auf dem Bünder Rathaus maßgebend sein.

 

NSDAP, Ortsgruppe Bünde

Hillgruber

 

(aus: Bünder Generalanzeiger 49. Jg., Nr. 60 v. 11.3.1933)

 

 

Noch ein Schlußwort

 

Das Schlusswort des Herrn Bürgermeisters Dr. Moes sollte wohl den "Flaggenstreit" beschließen. Trotzdem erlauben wir uns noch einige Sätze. Denn – besonders nach dem Ergebnis der Stadtverordneten-Wahl – das letzte Wort hat von jetzt ab die NSDAP.

Der Herr Bürgermeister sieht in unserer Gegen-Erklärung eine Kampfansage: er sieht darin richtig. Wenn er aber auch "genügend Gemeinsamkeit" sieht, so muß er sich wohl getäuscht haben. Denn diese Gemeinsamkeit vermögen wir nicht zu erkennen. Gerade weil wir nur sachliche Arbeit zum Wohle der Stadt leisten wollen und werden, weisen wir von vornherein daraufhin, daß fortan ein grundsätzlich anderer Kurs in der städtischen Politik eingeschlagen werden wird. Denn die Wähler, die der NSDAP am letzten Sonntag ihre Stimme gaben, haben damit ganz gewiß nicht gesagt, daß sie irgendeine Kompromiß-Politik wünschten, sondern sie haben dadurch, daß sie uns die absolute Mehrheit gaben, ihrem Wunsch nach einer völligen Aenderung der kommunalen Politik Ausdruck gegeben. Und wir werden diesem Wunsch gern nachkommen. Der Herr Bürgermeister behauptet, daß seine Arbeit bisher der gesamten Bürgerschaft dienstbar war. Wir sind darüber anderer Ansicht – aber wir werden durchsetzen, daß in Zukunft wirklich eine Politik betrieben wird, die der Bünder Bürgerschaft dienstbar ist. Wir kennen Herrn Bürgermeister Dr. Moes, seine bisherigen Maßnahmen und Methoden, und eben darum, weil wir ihn in seiner Vielseitigkeit so sehr gut kennen, halten wir es für nicht möglich, daß wir mit ihm "genügend Gemeinsamkeit" finden werden. Denn wir Bünder Nationalsozialisten haben nicht die Aufgabe, mit irgend jemand Gemeinsamkeiten zu finden, sondern wir haben, entsprechend der absoluten Mehrheit, nur die eine Aufgabe, in Bünde hundertprozentige nationalsozialistische Reinigungs- und Aufbauarbeit zu treiben. Und dafür werden wir sorgen.

 

NSDAP, Ortsgruppe Bünde

Hillgruber

 

(aus: Bünder Generalanzeiger 49. Jg., Nr. 65 v. 18.3.1933)

 

 



Zusammensetzung der neuen Stadtverordnetenversammlung in Bünde nach der Kommunalwahl am 12.3.1933

Name Beruf Partei
Fritz Brinkmann Obersteuersekretär NSDAP
Friedrich Altvater Arbeiter NSDAP
Paul Hillgruber Kaufmann NSDAP
Heinrich Bracksiek Gastwirt NSDAP
Heinrich Schütte Handlungsgehilfe NSDAP
Paul Vahle Lehrer NSDAP
Heinrich Jäger Postkraftfahrer NSDAP
Karl Salle Zigarrenfabrikant NSDAP
Dr. Klaus Eicker Apotheker NSDAP
Ewald Lütkehölter Obersteuersekretär NSDAP
Dr. Carl Sielermann Gerichtsrat Rechtsblock
Hermann Falckenberg Zigarrenfabrikant Rechtsblock
Hermann Nalop Rechtsanwalt Rechtsblock
Heinrich Klostermeyer Buchhalter Rechtsblock
Heinrich Schmidt Lagerverwalter SPD
Karl Kröger Sortierer SPD
Caspar Hüffmeier Arbeiter SPD
Hermann Böker Werkmeister SPD


"Vom Dache des Amtshauses wehte die siegreiche und ruhmreiche schwarz-weiß-rote Fahne"

neben ihr das Fahnentuch des erwachenden Deutschlands, das Hakenkreuzbanner, und die preußische Landesfahne mit den schwarz-weißen Farben. ... Auch der Sitzungssaal ist mit den drei erwähnten Fahnen reichlich geschmückt. ... Hinter dem Platz des Vorsitzenden ist an der Wand eine große Hakenkreuzfahne angebracht. Die breite Wandseite des Sitzungssaales ist verkleidet mit der Reichs- und Landesfahne, sowie in deren Mitte die Hitlerfahne, auf die ein mit Lorbeer geschmücktes Bild des Volkskanzlers befestigt ist." Amtsbürgermeister Schäfer führte in seiner Begrüßungsansprache u.a. aus: "Ohne Hitler leb(t)e unser deutsches Volk heute in einem Chaos, alles wäre vernichtet und der Kommunismus hätte die Oberhand in Deutschland. Die Amtsvertretung stell(t) sich mit aller Kraft hinter diesen Mann und seine Regierung in der Erkenntnis, daß Adolf Hitler das Schicksal meistern wird und Deutschland einer besseren Zukunft entgegenführt." Als von den Nationalsozialisten am Ende der Sitzung ein dreifaches Hoch auf Hitler und Hindenburg ausgebracht und im Anschluß daran das Horst-Wessel-Lied angestimmt wurde, verließen die sozialdemokratischen Amtsvertreter den Sitzungssaal.



Revolverschüsse auf die Wohnung des Bünder Bürgermeisters Dr. Moes

Drei Schüsse auf das hinter der Veranda liegende Zimmer abgefeuert –
Eine Kugel blieb im Bücherschrank stecken

 

Ein Verbrechen, das die Chronik unseres Städtchens erfreulicherweise bisher nicht aufzuweisen hatte, wurde heute in früher Morgenstunde vollführt. Auf Bürgermeister Dr. Moes wurde ein Revolveranschlag verübt.Gegen 5 Uhr wurden von dem bisher unbekannten Täter (vielleicht kommen auch mehrere in Frage) von dem dem Grundstück des Bürgermeisters gegenüberliegenden Rubenschen Garten aus drei Schüsse auf das hinter der Veranda liegende Zimmer abgegeben. Eine Kugel durchschlug die eiserne Jalousie der zur Veranda führenden Tür, die Tür selbst und blieb im Bücherschrank stecken.

Bürgermeister Dr. Moes, der von dem Knall der Schüsse geweckt wurde, und vom Schlafzimmer im oberen Stock aus nach der Ursache forschte, konnte sie zunächst nicht ergründen, da er ja an alles andere, nur nicht an solch feigen verbrecherischen  Anschlag dachte. Erst heute früh, als er das Zimmer betrat, entdeckte er die durchschossene Tür und die im Bücherschrank sitzende Kugel.

Die sofort aufgenommenen Nachforschungen ergaben, daß der (oder die Täter) hinter den das Nachbargrundstück abschließenden Planken gestanden haben muß, da dort drei Hülsen von Pistolenkugeln gefunden wurden. So ist es auch zu verstehen, daß Dr. Moes, als er nach der Ursache der Schüsse forschte – er hielt sie zunächst für Geräusche von abgebrannten Feuerwerkskörpern – den Urheber, bezw. den Schützen nicht entdecken konnte.

Aus welchen Beweggründen der aus dem Hinterhalt vollführte Anschlag verübt wurde, muß die Untersuchung ergeben. Hoffentlich gelingt es der Polizei, den oder die Täter recht bald zu verhaften, damit die Tat, die wohl allgemeine Verurteilung findet, voll aufgeklärt wird.

 

(aus: Bünder Tageblatt 36. Jg., Nr. 182 v. 5.8.1933; in: Kommunalarchiv Herford, Bestand C, Nr. 956)



Schlussbericht

Bielefeld, den 9. August 1933

 

Auftragsgemäß begab ich mich mit der Eisenbahn am 8. August 1933 zur Anstellung weiterer Ermittelungen nach Bünde i.W.

Die Ehefrau Kleffmann geb. Sauerbrei (sh. Blatt 12 d.A.) will am 5.8.33, am Tage der Tat, einen Radfahrer in der Friedrichstrasse gegen 5 Uhr morgens gesehen haben. Der Radfahrer fuhr schnell in Richtung Moltkestrasse durch die Friedrichstrasse an dem Hause des Bürgermeisters Dr. Moes vorbei. Kurz vorher will sie 3 oder 4 Schüsse gehört haben. Ein genaue Personenbeschreibung war von Frau Kleffmann nicht zu erfahren. Sie gibt an, dass der Radfahrer lange dunkle Hose und einen rötlich-braunen Rock getragen habe.

Er sei ohne Kopfbedeckung gewesen und sie habe langes dunkles volles Haar bemerkt. Das Gesicht sei blass gewesen. Sie habe das Gesicht kurz gesehen, weil der Radfahrer sich umgeschaut habe.

Die Bekleidungsbeschreibung passt mit grösster Sicherheit auf den Angestellten Domaschke (Sturmführer der SA in Bünde). Ob die Zeugin Kleffmann den Domaschke bei einer evtl. Gegenüberstellung mit Sicherheit als denjenigen Radfahrer bezeichnet, der am 5.8.33 morgens durch die Friedrichstrasse fuhr, dürfte dahin gestellt bleiben. Domaschke hat sich am 5.8.1933 die Haare schneiden lassen.

Die Angaben von Frl. Mickmack bezgl. des Vorzeigens einer Schusswaffe am 4. August 1933 im Büro des Rathauses, sollen vertraulich behandelt werden. Bei einem Verhör der Zeugin (sie ist sehr wankelmütig) konnte nicht festgestellt werden, dass Domaschke eine Waffe grösseren Kalibers gezeigt hat. Sie spricht von einer blanken Waffe, wahrscheinlich soll eine Scheintodpistole in Frage kommen. Die Zeugin war früher als Angestellte beim Amt in Bünde tätig. Nach ihrer Entlassung hat Domaschke ihre Stellung eingenommen.

Die Feststellungen bezgl. des früheren komm. Parteimitgliedes Stackelbeck, der vor kurzem aus der Sicherheitshaft in Herford entlassen wurde, haben nicht ergeben, dass dieser für die Tat überhaupt in Frage kommen kann. Er ist aus der Sicherheitshaft wegen Krankheit durch Befürwortung des Bürgermeisters entlassen worden. Am fraglichen Tage (5.8.33) hat er mit seiner Ehefrau etwa gegen 7 Uhr seine Wohnung verlassen und ist zu seiner Arbeitsstelle beim Landwirt Schröder in Bünde gefahren. (sh. Blatt 11 d.A.)

Bei einer Gegenüberstellung mit der Ehefrau Kleffmann hat diese ihn nicht als den Radfahrer bezeichnet, der am 5.8.33, 5 Uhr, durch die Friedrichstrasse fuhr. Frau Kleffmann sagt: "Der Radfahrer hatte eine blasse Gesichtsfarbe und dieser (nämlich Stackelbeck) hat eine gebräunte Gesichtsfarbe." Tatsächlich ist Stackelbeck im Gesicht stark gebräunt, weil er in der letzten Zeit dauernd in der Sonne gearbeitet hat.

Weitere gerichtlich verwertbare Beweismittel, die zur einwandfreien Ueberführung des Täters dienen, haben sich bisher nicht beibringen lassen.

Nach der ganzen Tatausführung ist als Motiv Drohung oder Schreckmittel gegen den Bürgermeister gedacht. Unterstellt man, dass der Täter grössere Mengen Alkohol getrunken hat, so kommt letzten Endes grober Unfug in Frage. Der Bürgermeister Dr. Moes legt, unter Berücksichtigung dieses Moments, auf die weitere Verfolgung keinen Wert.

 

Wilhelm Lutterbeck

Kriminalassistent

 

(aus: Staatsarchiv Detmold, M 1 I P, Nr. 1597)



Nationalsozialistische Deutsche ArbeiterparteiGauleitung Westfalen-Nord

-Personalabteilung-


29.9.33


Herrn
Gauleiter Dr. Meyer
M ü n s t e r i/W.
im Hause



Vertraulich!

Betr.: Bürgermeister Dr. Moes in Bünde

Auf Grund Ihrer Anordnung vom 23.9.33 habe ich mich mit der Angelegenheit "Bürgermeister Moes in Bünde", als Leiter der Gau-Personalabteilung, eingehend befasst. (...)
Mein Eindruck von der ganzen Angelegenheit ist folgender: Die Person des Bürgermeisters Dr. Moes ist m.E. mit Vorsicht zu geniessen. Allein seine langjährige Zugehörigkeit zur Freimaurerei, also zu einer Vereinigung, die zwar auf ihrem Banner das schöne Wort stehen hat: "Dem Wahren, Guten, Schönen", die aber ihre Mitglieder in gerade entgegengesetztem Sinne erzog, wie es die Schriften von Wichtel und von der Recke, nachweisen, veranlaßt mich, Herrn Moes mit aller Vorsicht zu behandeln. Wenn Moes heute zu erklären versucht, dass er immer auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung gestanden habe, so bin ich ... der Meinung, dass dieser Aeusserung des Herrn Moes keinerlei Bedeutung beizumessen ist. Auch seine frühere Einstellung unserer Bewegung gegenüber und die von ihm getroffenen Anordnungen lassen erkennen, dass Herr Moes, in echt freimaurischer Art heute die Rolle des Unbefangenen zu spielen versucht. Weiterhin geht aus den Aeusserungen der amtlichen sowie der Parteidienststellen hervor, dass Herr Moes einen sogenannten "dicken Schädel" hat und von einer gewissen Unbelehrbarkeit befallen ist. Weiterhin geht die Meinung aller Beteiligten dahin, dass Herr Moes es nicht verstanden hat, sich die Zuneigung der Bevölkerung zu erwerben, zumal ein grosser Teil der national eingestellten Bevölkerung ihn auf Grund seiner früheren Handlungen nicht mehr als unparteiischen Beamten anerkennt. Moes ist in Bünde der Exponent des vergangenen Systems gewesen und hat, nach Angaben der Pgg. dieses durch seine Handlungen in der früheren Zeit auch klar und eindeutig unter Beweis gestellt.
Moes kämpft natürlich um seine Position. Er scheint sehr richtig erkannt zu haben, dass durch das Bestreben der Parteimitglieder, ihn aus seinem Amt zu entfernen, und der realen Wirklichkeit, vertreten durch die Regierung und die vorgesetzten Parteidienststellen, eine Kluft besteht. In geschickter Ausnutzung dieser Lage hat sein freimaurischer Freund Zscherlich durch Unterschriftensammlung ohne Zweifel versucht, einen Keil in die nationale Bevölkerung zu treiben, nach dem bekannten Grundsatz: "Teile und herrsche".
Hinzu kommt noch das sogenannte "Revolverattentat". Alle, die die örtlichen Verhältnisse kennen, sind sich darüber klar, dass dieser Angelegenheit keinerlei Bedeutung beizumessen ist.
Ueber die Beweggründe dieses sogen. Revolverattentats gehen die Meinungen auseinander. Einige Dienststellen sind der Auffassung, dass es sich hier um einen Dummenjungenstreich handelt , während eine Reihe von Pgg. die Ansicht vertritt, dass dieses Revolverattentat von irgendwelchen Personen veranlasst sei, die der N.S.D.A.P. nicht wohlwollend gegenüberstehen, und die auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege versucht hätten, durch Verübung dieses sogen. Revolverattentats die N.S.D.A.P. in ihrem Kampf gegen den Bürgermeister in eine taktisch ungünstige Lage zu bringen. Alle Dienststellen sind sich aber darüber einig, dass es sich um ein ernstliches Attentat nicht handeln kann, weil der Täter in später Nachtstunde in das im Erdgeschoss liegende Arbeitszimmer schoss, und er genau wusste, dass sich der Bürgermeister zu dieser Zeit in diesem Zimmer nicht aufhielt, denn sonst hätte dort zumindest Licht gebrannt. Tatsache ist jedenfalls, dass Dr. Moes bereits sich in seinem im 2. Stock liegenden Schlafzimmer zur Ruhe begeben hatte und zur Zeit des sogen. Attentats selig in Morpheus' Armen lag. Wenn wirklich ein ernstlicher Anschlag auf ihn hätte verübt werden sollen, würde der Attentäter bestimmt versucht haben, zumindest in das Zimmer hineinzuschiessen, in dem Dr. Moes sich zur Zeit des Attentats befand, und dies war unzweifelhaft das Schlafzimmer.
Die polizeilichen Feststellungen haben auch keinerlei Anhalt dafür ergeben, dass etwa aus den Kreisen der Parteigenossenschaft oder SA heraus in das Arbeitszimmer des Dr. Moes geschossen worden ist. Die Angelegenheit des sogen. Revolverattentats ist tendenziös in Bünde ausgeschlachtet worden, und zwar ausgerechnet durch das "Bänder Tageblatt", ein schon seit langem dem Bürgermeister ergebenes Presseorgan. Diese Zeitung bringt am Sonnabend, den 5. August 33, einen mit Schlagzeile versehenen und auch sonst durch Fettdruck hervorgehobenen kurzen Artikel, unter dem Titel:

"REVOLVERANSCHLAG AUF BUERGERMEISTER DR. MOES"

Im Einleitungssatz heisst es: "Ein Verbrechen, das die Chronik unseres Städtchens erfreulicherweise bisher nicht aufzuweisen hatte, wurde heute in früher Morgenstunde vollführt. Auf Bürgermeister Dr. Moes wurde ein Revolveranschlag verübt."
Bei einer am 11. Juli 33 im Kreishaus in Herford stattgefundenen Besprechung wurde zwischen der Ortsgruppenleitung, dem Gau-Inspekteur Homann und dem Ortsgruppenleiter von Bünde die Vereinbarung getroffen, dass Moes noch 1/2 Jahr Frist gegeben werden soll, um zu beweisen, dass er sich in seinem Benehmen und in seiner Arbeit anders einstellt als bisher. Es wird mir bestätigt, dass er in der bisher abgelaufenen Zeit sich bemüht habe, sich objektiv einzustellen. Die Mißstimmung aus der früheren Zeit gegen Bürgermeister Dr. Moes ist jedoch so gross, dass m.E. die Kluft zwischen ihm und dem grössten Teil der nationalen Bevölkerung nicht überbrückt werden kann. Ich würde daher vorschlagen, nach Möglichkeit einen Austausch zwischen Dr. Moes und einem anderen Bürgermeister vorzunehmen. Wenn Dr. Moes in ein neues Arbeitsgebiet kommt, wo er, unbeschwert durch die Vergangenheit, ein neues Beamtendasein beginnen kann, so wäre m.E. sowohl ihm als auch der Bünder Bevölkerung geholfen.
Ich bitte daher die zuständigen Stellen, eine derartige Regelung durchzuführen. Mit einer derartigen Regelung wären auch alle Pgg. in Bünde, einschliesslich des Ortsgruppenleiters, einverstanden. Durch eine derartige Regelung würde auch den Zwistigkeiten innerhalb der Ortsgruppe Bünde Einhalt geboten.

Heil Hitler
Hartmann
Leiter der Gau-Personalabteilung.



Staatspolizeistelle f.d. Reg.Bez. Minden
In Bielefeld

11.6.1934

 

 

Persönlich!

 

 

An den

Herrn Regierungspräsidenten

in Minden i/W.

 

 

 

Betrifft: Bürgermeister Dr. Moes in Bünde

 

Wie mir vertraulich mitgeteilt wird, sind wieder, insbesondere in Parteikreisen, in Bünde Bestrebungen im Gange auf Absetzung des Bürgermeisters Dr. Moes. Nach einer nationalsozialistischen Versammlung im Mai d. Js. sind an mehreren Stellen Plakate angeklebt worden mit der Aufschrift "Weg mit Dr. Moes, weg mit dem Demokraten! Wir wollen einen nationalsozialistischen Bürgermeister! "

 

gez. Unterschrift

 

 

(Kommunalarchiv Herford, C, Nr. 957)




Ausschreibung der Stelle des Bürgermeisters der Stadt Bünde im Jahre 1937

Die Stelle den Bürgermeisters der Stadt Bünde, Kreis Herford, Regierungsbezirk Minden, mit über 7.000 Einwohnern soll mit Wirkung vom 15. Oktober 1937 neu besetzt werden. Der Bewerber muß die Voraussetzungen für die Bekleidung eines gemeindlichen Ehrenamtes erfüllen, die Gewähr dafür bieten, daß er jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt, arischer Abstammung und im Falle seiner Verheiratung mit einer Person arischer Abstammung verheiratet ist. Er muß ferner die erforderliche Vorbildung oder Eignung für sein Amt besitzen und möglichst Erfahrung auf den besonderen Aufgabegebieten haben, die sich aus der Verwaltung einer lebhaft entwickelten Industriestadt, die wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt eines dichtbesiedelten Wirtschaftsgebietes ist, ergeben. Besoldung nach Gruppe A2c2 der Reichsbesoldungsordnung, Ortsklasse B. Dienstwohnung (Einfamilienhaus) gegen Zahlung des gesetzlichen Wohnungsgeldes. Den Bewerbungen sind ein ausführlicher Lebenslauf, Belege über die bisherige Tätigkeit unter Beifügung beglaubigter Zeugnisabschriften, über die politische Einstellung und der Nachweis der arischen Abstammung für den Bewerber und seine Ehefrau, sowie ein Lichtbild beizufügen. Sie sind innerhalb eines Monats von Tage der Veröffentlichung ab an den I. Beigeordneten Hillgruber in Bünde, Adolf-Hitlerstr. 24, zu richten. Persönliche Vorstellung bei dem Unterzeichneten und bei den für die Berufung zuständigen Stellen sind ohne besondere Aufforderung zwecklos.

Bünde, den 19. März 1937.
Der Bürgermeister:
I.V.:
gez. Hillgruber, Beigeordneter.




Der Landrat als Kommunalaufsichtsbehörde

Herford, den 14. September 1937

1) An die Landesdienststelle Westfalen des Ministeriums
für Volksauklärung und Propaganda
in
Münster (Westf.)

Betrifft: Pressedienst

Der Bürgermeister der Stadt Bünde, Dr. Moes, dessen Wahlzeit am 8. Oktober 1937 beendet ist, wird nicht wiederberufen, weil er Freimaurer war innerhalb seiner Loge den 4. Rang bekleidet hat. Dem Vernehmen nach soll nun Bürgermeister Dr. Moes beabsichtigen, vor Beendigung seiner Tätigkeit noch einen größeren Verwaltungsbericht, der sich wahrscheinlich vor allen Dingen mit seinen eigenen Leistungen befassen wird, ist der Tagespresse im Stadt- und Landkreise Herford zu veröffentlichen. Dieses Vorhaben ist von Kommunalaufsichts- und auch von Partei wegen unerwünscht. Es würde dadurch nur eine erhebliche Unruhe in die Bevölkerung hineingetragen werden. Deshalb darf ich bitten, die in Betracht kommenden Pressen, und zwar

Westf. Neueste Nachrichten
Herforder Kreisblatt
Neue Westf. Volkszeitung
Löhner Tageblatt, Bad Oeynhausen,
Vlothoer Anzeiger,
Bünder Generalanzeiger, Bünde,
Bünder Tageblatt, Bünde,

mit der erforderlichen Anweisung versehen zu wollen.


2) An die Kreisleitung der NSDAP
in
H e r f o r d

Vorstehende Abschrift übersende ich zur Kenntnis und mit der Bitte, meinen Antrag zu unterstützen. Wie ich ferner erfahre, beabsichtigt Bürgermeister Dr. Moes auch noch vor seinem Abgang eine Ratsherrensitzung abzuhalten. Dem steht an sich nichts in Wege, nur darf diese Ratsherrensitzung in diesen Falle nicht öffentlich sein. Ich möchte daher vorschlagen, den zuständigen Ortsgruppenleiter anzuweisen, dafür zu sorgen, daß bei der Anberaumung der Ratsherrensitzung die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleibt.


3) Herrn Landrat nach Rückkehr vorzulegen.

Unterschrift
In Vertretung:
Regierungsassessor

(aus: Kommunalarchiv Herford, C, Nr. 955)