Oscar Wilde hätte seinen Spaß gehabt

Oscar Wilde hätte seinen Spaß gehabt

von Christine Zeides erstellt am 24.06.2011

Wenn Oscar Wilde Pfeife schmauchend auf seiner Dichterwolke saß und am Dienstag, den 21.06.2011 auf die Erde geblickt hat, so muss er sich voller Stolz den Bauch vor Lachen gehalten haben, als der Literaturkurs des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums sein Stück „Ernst sein ist alles“ auf die Bühne des Forums brachte.
Das englische Stück hat alles zu bieten: Intrigen, Lügen, Witz, Charme und natürlich ein Happy End. „Und alles verpackt in englischem Humor. GZSZ  mit Niveau“, beurteilt Lucia Wehage das Stück. Sie hat in der Rolle des Algernon einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Stücks geliefert.
Algernon Moncrieff und sein Freund Jack Worthing leben ein Doppelleben: Algernon, der in der Stadt wohnt, gibt vor einen kranken Freund namens Bunbury auf dem Land zu haben. So entgeht er langweiligen Familienfeiern und kann sich woanders vergnügen. Jack, der in einem Landhaus lebt, gibt vor, einen Bruder namens Ernst zu haben, der völlig auf die falschen Bahn geraten sei und nun oft Hilfe vom seinem großzügigen Bruder Jack benötige. In Wirklichkeit möchte er in der Stadt der jungen Gwendolen Fairfax näher kommen, in die er schon lange verliebt ist.
Zufällig ist sie mit ihrer Mutter Lady Bracknell und ihrem Vater Lord Bracknell, Tante und Onkel von Algernon, zum Tee eingeladen. So ergreift Jack die Chance ihr seinen Antrag zu machen. Jack, beeindruckend gespielt von Christina Meyer, wird der Familie als Ernst Worthing vorgestellt und kann Gwendolen in einem passenden Moment der Zweisamkeit seine Liebe eröffnen.
„Sie sind das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe, bevor ich sie kennenlernte. Sie sind einfach perfekt!“- „Das hoffe ich nicht. Denn sonst gebe es ja keinen Raum für Entwicklungen mehr“, gibt sie ihm prompt die ernüchternde Antwort.
In der Rolle der Gwendolen verkörpert Anna Heinemann das Bild einer jungen Dame aus gutem Hause, die keineswegs auf den Mund gefallen ist und mit großer Selbstsicherheit nach dem richtigen Mann für sich sucht. Trotzdem findet das verwöhnte Stadtmädchen Gefallen an dem jungen Mann und nimmt seinen Antrag an. Besonders die Tatsache, dass sein Name „Ernst“ ist, begeistert sie: „Andererseits wäre ich nicht bereit dich zu lieben.“ Die beiden verloben sich. Leider kommt die überaus emanzipierte Mutter Lady Bracknell dazwischen. Sara Könemann, die die Lady verkörpert, unterzieht Jack einem Test zu fragwürdigen Kriterien wie Rauchen, Allgemeinbildung, Geld, politische Ausrichtung und Familienstammbaum.  Die Tatsache, dass Jack als Findelkind in einer Reisetasche der Victoria Station gefunden wurde, macht eine Heirat für sie unmöglich. Jack muss die „Furie“ erst von sich überzeugen…
Jack muss handeln und plant sich zunächst seines Bruders auf dem Lande zu „entledigen“, um allein als Ernst in der Stadt zu leben. Mit einer Urne, Trauerkleidung und einem von Tränen gezeichneten Gesicht kehrt er ins Landhaus zurück. Dort ist der Schrecken groß und Ernst schnell begraben.
Lucia Wehage durchkreuzt als Algernon den Plan ihres Freundes. Heimlich hat sie sich zu Cecilys Haus auf dem Land geschlichen und sich dort als Jacks Bruder Ernst ausgegeben. Cecily, gespielt von Verena Albert, spürte die Anziehungskraft, die der „verruchte“ und „verstoßene“ Bruder Jacks auf sie ausübt. Auch sie war erfreut, dass der Auserwählte ihren Wunschnamen „Ernst“ trägt. Nach einigen romantischen Worten (die sich Cecily in ihr Tagebuch diktieren ließ), verlobten sich die beiden schnell.
Und so erscheint der eben für tot erklärte Ernst nun eng von Cecily umschlungen auf der Bildfläche und lässt den überraschten Freund und das Personal erblassen.
Die Männer verschwinden und Cecily bleibt alleine im Garten zurück. Ihre Gouvernante, Miss Prism (Shirin Adler) ist mit dem Kanonikus Chasuble (Isabelle Stickdorn) im Garten spazieren gegangen. Und so kommt, was kommen muss: Gwendolen kommt ins Landhaus, um dort heimlich ihren Ernst Worthing zu treffen. Die beiden Mädchen unterhalten sich und stellen schnell die Ungereimtheiten fest. Wer von ihnen ist denn nun mit Ernst Worthing verlobt? Während Gwendolen auf ihr Recht als Erstverlobte pocht, versucht Cecily sie mit dem Tagebucheintrag zu überzeugen. Ein wahrer Zickenkrieg entflammt und lässt keine Beschimpfung aus – wie es sich eben für eine gute Liebesgeschichte gehört.
Unglücklicherweise kommen nun die beiden Ernsts hinzu – und machen das Chaos perfekt. Beide Frauen werfen sich in die Arme ihres Geliebten und versuchen die andere von ihrer „wahren Liebe“ zu überzeugen. Schnell merken die beiden, dass sie ihren zukünftigen Ehemännern auf den Leim gegangen sind und sie fordern die Wahrheit. Kurze Zeit später erfahren sie, dass die Auserwählten keinesfalls Ernst Worthing heißen, sondern den abartigen Namen Algernon und den lächerlich kurzen Namen Jack tragen. Beleidigt und sich betrogen fühlend verlassen die beiden Frauen, die sich mittlerweile mit „Schwester“ anreden, das Haus.
Jack und Algernon halten Kriegsrat. Zum einen streiten sie sich um die richtige Lösung ihres Problems, zum anderen über den rechtmäßigen Besitzer der Muffins auf ihren Tellern. Während Jack sein Gebäck langsam durch Algernon verschwinden sieht und immer noch keinen Ausweg weiß, kehren die Damen zurück und fordern die beiden zur Stellungnahme auf. Mit galanten Worten, einigen kleinen Lügen und dem Versprechen, sich auf den Namen „Ernst“ taufen zu lassen, gewinnen sie die Gunst der Mädchen zurück. Alles scheint in Ordnung – bis Lady Bracknell, die die Flucht ihrer Tochter bemerkt hat, mitsamt ihrem Hofstaat eintritt.
Wieder verbietet sie jegliche Heirat zwischen Jack und Gwendolen, segnet aber – nach einer genauen Prüfung des Bräutigams – die Heirat Algernons mit Cecily ab.
Lord Bracknell, gespielt von Lennart Engel, entschärft die Situation durch sein geistreiches Benehmen – das Füllen und Leeren der vielen Weingläser brachten das Publikum zum Lachen und Lady Bracknell zum Verzweifeln.
Die Spannung steigt, als endlich die Schlussszene erwartet wird: Jack weigert sich, Cecily die Hochzeit zu erlauben (schließlich sei sie noch nicht 35), wenn er selber noch nicht heiraten darf. Alles scheint erledigt, bis die Haushälterin Miss Prism den Raum betritt. Es stellt sich heraus, dass sie die ehemalige Bedienstete von Lady Bracknells Schwester ist und dass sie für den Verlust eines Babys vor 28 Jahren verantwortlich ist.  Sie hatte es damals mit einem Romanmanuskript verwechselt, welches sie im Kinderwagen schob, während sie das Kind selbst in der Reisetasche nah der Victoria Station vergaß.  Bittere Tränen fließen – unterbrochen von Jacks Freudenschrei. Er selbst war das Kind … und gehört somit der Familie Bracknell an. Er ist sogar Algernons großer Bruder. Was ihn aber besonders freut, ist die Tatsache, dass er nun ohne Widerstand seine Gwendolen heiraten kann. In einem alten Buch findet er sogar seinen richtigen Namen, der ihm den Atem stocken lässt…
 
So stehen am Ende des Abends die Nachwuchsschauspieler mit ihren Helfern und Mentoren auf der Bühne und lassen sich vom Publikum bejubeln. Und jetzt mal im Ernst: dass Jack eigentlich Ernst John Worthing heißt, war schon eine gute Idee, Herr Wilde.

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